family around the world

Kambodscha: Phnom Penh

von ANDREAS am 07. SEPTEMBER 2011

Freitag, 02. September 2011

Um 06.30 Uhr werden wir von einem Minibus abgeholt, der uns zum Tonle Sap See bringt. Wir haben uns entschieden, nach Phnom Express-Boot nach Phnom PenhPenh nicht mit dem Bus sondern mit dem Boot zu fahren.

Am Boot angelangt, trifft uns zunächst der Schlag, denn das Boot ist keinesfalls ein nettes Ausflugsboot, von dem man prima herausschauen und die Landschaft genießen kann sondern eine etwa 40 Jahre alte, zigarrenförmige Metallhülle, komplett geschlossen mit vergilbten Fenstern, die Sitze sind unbequem und enger gestellt, als in jedem Bus.

Das Boot kostet vier mal so viel, wie der Bus, wir fluchen, denn eigerntlich wollten wir vom See etwas sehen und nicht fünf Stunden lang unbequem sitzen und durch vergilbte Fenster schauen!

Unsere Befürchtungen lösen sich dann zuminderst teilweise in Luft auf, denn in Kambodscha geht, was bei uns niemals möglich wäre, bei diesem Boot, das mit 35 Knoten dahinbraust bleiben die Türen offen und wir können draußen sitzen - oder alternativ auf dem Dach liegen, was Heike bevorzugt und dabei ein Nickerchen macht.

Samstag, 03. September 2011

Der Tag startet auf der Dachterrasse unseres Hotels mit Mathe-Unterricht für Nico und Nina. Wir sind jetzt beim Abschluss-Check-Up des zweiten Kapitels von Sieben insgesamt, damit haben wir schon mal ein bisschen "Strecke" gemacht, wir hören jetzt auch kein Wehklagen mehr, wann denn "endlich" der Unterricht beginnt, die Beiden freuen sich jetzt, wenn die anderen Fächer stärker in den Vordergrund treten.

Nachmittags fahren wir hinaus zum "Choeung Ek Genocidal Center" etwa 12 km ausserhalb von Phnom Penh. In Choeung Ek Killing Field - Choeung Ekbefindet sich eines der insgesamt 343 "Killing Fields" in Kambodscha. Alleine hier ermordeten die Roten Khmer etwa 17.000 Menschen, in Summe starben in den Jahren 1975 bis 1979 etwa 200.000 alleine auf den Killing Fields, insgesamt wurden in dieser Zeit knapp 2 Mio. Kambodschaner von den Roten Khmer ermordet.

Wie im nebenstehenden Plan dargestellt, besteht jedes Killing Field aus zahlreichen Massengräbern, in denen jeweils zwischen zehn und 450 Menschen vergraben wurden. Die Summe aller bekannten Massengräber in Kambodscha beläuft sich nach Angabe des Museums im ehemaligen Foltergefängnis Tuol Sleng in Phnom Penh auf insgesamt 19.440. Getötet wurde in den meisten Fällen die ganze Familie, um eine spätere Rache auszuschließen, so dass es ganze Gräber nur mit Frauen und Kindern, darunter viele Babys gibt.

Um Munition zu sparen, wurden die Todgeweihten nicht erschossen sondern erschlagen. Im Museum des Genocidal Centers sind Totenschädel ausgestellt, an denen die Verletzungen durch die unterschiedlichen Schlagwerkzeuge gezeigt werden. So sieht die Verletzung durch eine Eisenstange anders aus, als die durch eine Axt und diese wiederum anders, als die durch eine dicke Bambusstange. Kleine Kinder und Babys wurden gegen einen Baum geschlagen, der heute noch da steht - wir sind fassungslos, diese unvorstellbaren Greueltaten sind gerade einmal 35 Jahre her!

Kambodscha braucht Zeit, um seine Vergangenheit aufzubereiten. In Choeung Ek wurde eine Stupa errichtet, in der die Kleidung, die Schädel sowie die übrigen Gebeine von knapp 9.000 aus den Massengräbern exhumierten Ermordeten in 17 Stockwerken untergebracht sind. Damit sind weniger als die Hälfte der Gräber geöffnet worden, weitere Exhumierungen sind auch nicht geplant. Nach Aussage unseres Guides in Choeung Ek sind durch die Öffnung weiterer Gräber keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen und außerdem sei die Stupa schon voll!

Erst rund 25 Jahre nach Ende des Pol Pot Regimes wurde in 2004 das Rote-Khmer-Tribunal eingesetzt, das die zwischen 1975 und 1979 begangenen Verbrechen untersuchen und aburteilen soll. Der einzige bislang Verurteilte überhaupt ist Kaing Guek Eav (alias "Duch"), der ehemalige Leiter des Folterzentrums S-21 in Phnom Penh, der in 2010!!! zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde. Viele Menschen in Kambodscha fragen sich vor dem Hintergrund häufiger persönlicher Betroffenheit, ob ein derartiges Urteil angesichts der unvorstellbaren Taten des Angeklagten wirklich gerecht ist. Häufig wird auch die Frage gestellt, ob es Gerechtigkeit in diesem Zusammenhang überhaupt geben kann...

Die Beschreibung des Geschehenen oben im Text ist eine Ultrakurzversion dessen, was wir in unserem gut zweistündigen Besuch zu sehen bekommen und an Informationen und Eindrücken mitnehmen: Besichtigung des Killing Fields nebst anschaulicher Erläuterungen am Originalschauplatz durch unseren Guide, Besichtigung der Stupa und Besuch des kleinen Museums, mehr zu sehen gibt es nicht und trotzdem ist es mehr, als wir begreifen können.

Wer Fotos in der Galerie vermißt: es gibt keine! Alleine im nebenstehenden Bild habe ich unsere Stimmung am Ende des Besuchs festgehalten.

Sonntag, 04. September 2011 und Montag, 05. September 2011

In den verbleibenden vier Tagen in Phnom Penh steht der Besuch verschiedener Sehenswürdigkeiten im Wechsel mit dem Unterricht für Nico und Nina und wir geniessen die besondere Atmosphäre dieser Stadt, die an zahlreichen Stellen geprägt wird von Nationalmuseumder französischen Kolonialvergangenheit, welche erst 1954 endete. Dies zeigt sich insbesondere an der breiten, mit Leben erfüllten, Uferpromenade, vielen Cafés und schönen, offenen Plätzen im Zentrum der Stadt.

So besuchen wir am Montag das Nationalmuseum und die sogenannte Silberpagode, die im Königspalast liegt. Als erfahrene Traveller wissen wir natürlich, das man beim Besuch einer Pagode ordentlich gekleidet sein muss. Das bedeutet Hosen, die mindestens das Knie und Oberbekleidung, die mindestens die Schultern bedecken. Heike, die gerne "Schulterloses" trägt, hatte sich extra für diesen Besuch ihren für diese Anlässe erworbenen Schal eingesteckt.

Als wir an die Kasse kommen, sehe ich dort das durchgestrichene Foto einer Frau, etwa in Heikes Alter, die einen Schal trägt, ziemlich identisch dem meiner Frau und einen Reiseführer unter dem Arm hält, so wie ihn Heike gerade in diesem Augenblick in der Hand hat. Ich muss innerlich lachen, weil das Foto wirklich genauso aussieht, wie Heike und prompt wird sie zunächst abgewiesen. Wir müssen für sie dann ein "schönes" weißes T-Shirt für US$ 3,00 erwerben, um den Königspalast betreten zu dürfen, hätte schlimmer kommen können.

Die Silberpagode hat ihren Namen von insgesamt 500 Silber-Fliesen, jede ein Kilogramm schwer, mit denen der Boden der Pagode belegt ist. Das sind in Summe fünf Tonnen reines Silber, was sich ziemlich massiv anhört, aber keinesfalls ist. Die Fliesen "wellen" sich nämlich an den Rändern nach oben. Damit man sich an den scharfen Rändern nicht die Füsse verletzt, sind 90% der Pagode mit Teppich ausgelegt. Außerdem lösen sich die Fliesen vom Boden, so dass es beim Darauftreten klappert, was unsere Kinder dazu verleitet Silber-Fliesen unter dem Teppich klappern zu lassen. Der Smaragd-Buddha aus Baccarat-Kristall schimmert auf besondere Weise gläsern, was wir in dieser Form bisher noch nicht gesehen haben. Am Meisten beeindruckt uns aber der lebensgroße Gold-Buddha, der mit zahllosen Diamanten besetzt ist - wunderschön!

Dienstag, 06. September 2011

Heute machen Nico und ich einen "Männertag". Wir besuchen das Tuol Sleng Museum, das Foltergefängnis der Roten Khmer.

"Regeln" im Tuol Sleng FoltergefängnisIm Tuol Sleng Gefängnis, auch S 21 genannt, wurden die Menschen so lange gefoltert, bis sie die Mitgliedschaft im CIA oder im KGB zugaben. In der Logik der Roten Khmer wurde dies als Beweis ihrer "Bildung" gewertet, denn nur gebildete Menschen wußten, wer der CIA bzw. der KGB sind. Als gebildete Menschen wurden die Gefolterten mit ihren kompletten Familien auf den Killing-Fields ermordet. Gaben sie die Mitgliedschaft trotz oftmals monatelanger Folter nicht zu, wurden ihre Familien freigelassen.

Im Tuol Sleng Gefängnis starben insgesamt 20.000 Menschen, es gab in Summe nur sieben Überlebende, davon drei über das Jahr 2000 hinaus. Bei unserem Besuch erfahren wir, dass der Bekannteste dieser drei Überlebenden, Vann Nath, am Vortag im Krankenhaus gestorben ist. Vann Nath war Künstler und wurde in Kambodscha berühmt für seine Bilder, in denen er die Geschehnisse im Tuol Sleng Gefängnis dargestellt und verarbeitet hat - unserem Guide stehen Tränen in den Augen, als er uns von seinem Tod erzählt.

Ausgezeichnet ist auch der Film, der im Museum gezeigt wird, der nicht nur auf die Rolle der Opfer eingeht sondern auch auf die Rolle der Täter, die entweder als Kindersoldaten der Roten Khmer oder aus Angst vor dem System gemordet haben und heute mit ihrer unaufgearbeiteten Verganenheit leben müssen.

Bei unserem Besuch wird uns deutlich, warum die Aussage, "Kambodscha sei ein tief traumatisiertes Land" nicht übertrieben ist. Da viele Besucher des Landes nur wenig von dieser Vergangenheit im Detail wissen, werden sie das vielleicht nicht so erleben, denn offen gezeigt wird diese Traumatisierung von den Menschen nicht. Wenn man genau hinsieht, erkennt man aber doch zahlreiche Hinweise darauf und uns wird an diesem Beispiel klar: man sieht nur, was man weiß!

Mittwoch, 07. September 2011

An unserem letzten Tag in Phnom Penh entdecken wir den "Psar Tuol Tom Pong", auch "Russian Market" genannt, weil hier Anfang der 80er Jahre viele Russen eingekauft haben - es ist eine wichtige Entdeckung völlig anderer Sorte!

Bereits im Reiseführer steht, dass man sich einen Besuch dieses Marktes auf keinen Fall entgehen lassen sollte, denn hier landen original Markenklamotten, die in den Fabriken rund um Phnom Penh hergestellt werden und zwar zu Spottpreisen! Hört sich toll an, Russian Marketist aber der Wahnsinn, hier gibt es Alles!

Kleidung von Banana Republic, Billabong, Calvin Klein, Gant, Ralph Lauren, Abercrombie & Fitch und Adidas kosten hier gerade mal 10% dessen, was in Europa üblich ist. So sehen wir original Adidas Funktionsshirts, die wir im Siam Paragon Shopping Center in Bangkok für um die US$ 50,00 gesehen haben, für US$ 6,00 - unverhandelt! Original Converse Turnschuhe gibt es für US$ 10,00, so billig haben wir die noch nie gesehen.

Das Rucksackprogramm von The North Face kommt offensichtlich auch aus Kambodscha, ein Daypack, der bei Globi zwischen € 60,00 bis € 80,00 gehandelt würde, kostet hier US$ 12 - Originalware!

Achtung die Damen, jetzt bitte festhalten, denn es gibt hier auch Handtaschen! Die derzeit beliebten Longchamp-Taschen kosten hier US$ 15,00 für das große Modell und US$ 13,00 für das mittlere Modell, eine original Tasche von Hermes, wie sie Heike auf nebenstehendem Foto trägt, kostet US$ 186,00, eine Gruppe Italienerinnen kauft sich halb tot!

Auch wenn ich den sich explosionsartig entwickelnden Kaufrausch meiner Familie bändigen kann, bei dem bereits Pläne für die Verschiffung eines ganzen Containers voller Klamotten, Lederwaren und Schmuck angestellt werden, geht unser Besuch des Marktes nicht ganz spurlos ab. Wir kaufen für Nico und Nina von Abercrombie & Fitch eine original Shorts für jeweils US$ 5,00 und ein T-Shirt für US$ 3,00. Unterwäsche von Calvin Klein kostet US$ 2,00, keine Fake-Artikel sondern Originalware!

Abends essen wir ein letztes Mal Khmer Food und trinken dazu ein schönes Angkor-Bier, morgen geht es nach China!